Das Podium war mit der Bundestagsabgeordneten und gesundheitspolitischen Sprecherin Maria Klein-Schmeink, unserer Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Blömeke und dem Landesgeschäftsführer der Barmer hochkarätig besetzt, die Ohlendorff’sche Villa bestens präpariert: Alle Tische waren zur Seite geräumt, die Stühle gruppierten sich im Halbkreis um unsere Wahlkampfstehtische, frische Blumen steckten in den mitgebrachten Vasen, im Empfangsraum lagen Flyer und Buttons aus und Wasser und Gläser standen bereit. Unser Vorstandsmitglied Alice Buxton hatte zur grünen Sprechstunde geladen und wollte gern in einer offenen Diskussionsrunde wichtige gesundheitspolitische Themen ansprechen wie z.B.: Was für eine Gesundheitsversorgung brauchen wir? Wofür steht grüneGesundheitspolitik – in Hamburg und im Bund? Was hilft uns eigentlich dabei, gesund zu bleiben? Und was hat das Präventionsgesetz bisher gebracht? Mit welchen Kompetenzen kommen die Patient*innen in das Gesundheitssystem und wie ist das System darauf eingestellt? Wie kann man Patient*innen in ihrer Gesundheitskompetenz stärken und die Professionellen besser für den Patientenkontakt schulen und ausrüsten? Wie können wir die Fachkräftegewinnung im Gesundheitsbereich stärken?
Maria Klein-Schmeink erklärte gleich zu Beginn, dass Deutschland zwar weltweit an 5.Stelle mit den Ausgaben für unser Gesundheitssystem liegt – aber leider würde viel zu wenig bei den Menschen ankommen. Patienten würden sich im Dschungel der Möglichkeiten oft nur schwer zurecht finden. Ginge es einem richtig schlecht, brauche man meist Angehörige, die laut Forderungen stellten.
Unser System sei zu ärztelästig, Pflegekräfte würden zuwenig eingebunden. Das sei in Skandinavien ganz anders. Prävention und Reha, beides müsse vor der Pflege stehen. Das wäre auch viel preiswerter.
Christiane stellte fest, dass wir in Hamburg natürlich viel besser dastünden als Flächenländer. Im Prinzip sind wir als Region gesehen sogar überversorgt. Allerdings nur theoretisch, praktisch sähe das meist anders aus. Da gäbe es einen Aufnahmestopp bei Kinderärzten z.B. in Volksdorf. Oft verstehen die Patient*innen auch gar nicht, was die Ärzte sagen. Gut sei deshalb ein Modell wie der Gesundheitskiosk in Billstedt, wo medizinisch ausgebildetes Personal kostenlos berät und den wir für alle Stadtteile bräuchten, genauso wie Nachbarschaftsstrukturen. Und wichtig sei generell Prävention, z.B. die Fitnesss-Aktion „Mach mit, bleib fit“.
Auch Frank Liedtke beklagte, dass man auf einen Facharzt meist 6 bis 12 Wochen warten müsse und in der Zwischenzeit keiner fragt, wie es einem geht. In seinen Augen dauert alles so lange, weil wir keine vernetzten Strukturen hätten, sondern jeder nur für seinen Sektor denken würde. „Ich brauche ein System, das vernetzt denkt und handelt. Wir werden die Kohle, die wir haben, oft gar nicht los.“ Für gute Konzepte sei Luft da. Maria hatte allerdings den Eindruck, dass man von guten Konzepten immer mehr wegkomme, dass alles im System zunehmend schlanker würde.
Das läge daran, so Liedtke, dass junge Leute mit 25 schauen müssten, wo finde ich eine gute Kasse, für die ich nicht so viel bezahlen muss. In dem Alter würde man Ärzte eben in der Regel noch nicht wirklich brauchen.
Die Diskussion wurde dann richtig lebendig, Linus Jünemann von der Grünen Jugend, der selbst im Pflegebereich arbeitet, hat zwar viel über Prävention gelernt, aber keine Zeit, das Gelernte anzuwenden. Andere kritisierten, dass der Pflegeberuf viel zu unattraktiv sei, und es gäbe nicht mal eine eigene Gewerkschaft, viele störten sich an der Privatisierung der Krankenhäuser.
Auch Christiane bedauerte, dass dem Senat und der Bürgerschaft nach dem Verkauf der Krankenhäuser durch den CDU-Senat im Jahr 2005 die Einflussmöglichkeiten auf die nunmehr privatisierten Krankenhäuser genommen wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass vor einigen Jahren auf Bundesebene sogenannte Fallpauschalen für Krankheitsbilder eingeführt wurden und dadurch die Behandlungen von Krankenhausführungen eher wirtschaftlich statt medizinisch gedacht werden.
So ist beispielsweise eine natürliche Geburt von 15 Stunden für Geburtshilfestationen viel aufwändiger und teurer als ein Kaiserschnitt. Die Folgen sind gestiegene Kaiserschnittraten.
Maria ergänzte, dass die Verdichtung der Arbeit ständig zugenommen habe seit 10 Jahren, die Arzthonorare seien kontinuierlich angepasst worden, die Gehälter der Pflegeberufe dagegen nicht. Zur Zeit fehlten 5 Milliarden für Pflegekräfte. Krankenhäuser hätten lieber Ärzte als Pflegekräfte eingestellt, letztere fehlten jetzt. Da es zu einer Halbierung der Aufenthaltsdauer gekommen sei, seien die wenigen Pflegekräfte ständig gefordert, weil sie fast nur noch für sehr kranke Menschen zuständig seien.
Das Problem: Die ganze Situation geht zu Lasten der Alterspflege.
Nach zwei Stunden lebhaftesten Austausches waren sich alle einig: Es gibt noch so viel zu diskutieren, es hätte eigentlich eine Fortsetzung zum Thema geben müssen. Zumal heute Ferienanfang war und nur etwa 22 Gäste den Weg zur O-Villa gefunden hatten.
Deshalb schon mal ein kleiner Hinweis: Am Montag, den 8. April geht es auf dem Campus Uhlenhorst um die Diskussion von neuen Pflegekonzepten. Ein Vertreter des niederländischen ambulanten Pflege-Modells Buurtzorg (=Nachbarschaftshilfe) wird erzählen, was die Holländer besser machen und wie man das Konzept auch bei uns in Deutschland umsetzen kann. Nach dem Vorbild der Gemeindeschwestern gibt es dort einen Non-Profit-Pflegedienst mit einer modernen Struktur, die Kosten spart, auf Hierarchien verzichtet und mit dem alle Beteiligten höchst zufrieden sind. Veranstaltung von Grüne 60plus, 8.4., 17.30 mit anschließendem Come together für Fragen und Gespräche.