Uwe Jentz, Vorstand der Mieter- und Wohnungsbaugenossenschaft, erzählt gern die Geschichte der Gartenstadt Farmsen, die heute 2600 Wohneinheiten und 900 Reihenhäuser umfasst.
Die ersten Bewohner zogen Mitte der 50er Jahre ein, die Paechbrot Bäckerei hatte das Gelände für 1 Mark gekauft, die laufenden Kosten waren aber bald zu hoch. Die Stadt übernahm, und unter ziemlichen Anlauf-Schwierigkeiten konnte 1992 dann endlich die Genossenschaft starten. Fördermittel waren zu dem Zeitpunkt sehr günstig zu bekommen, und alle Einnahmen wurden sofort wieder investiert. Aus dem Verkehrswert von ursprünglich 50 Millionen wurden 250 Millionen, der Wert des Areals hat sich also verfünffacht.
Heute versucht die Genossenschaft, die Struktur stabil zu halten. Farmsen galt früher als Rockerhochburg, Uwe Jentz hat diese Zeit selbst als Bademeister im Freibad Farmsen, einem Brennpunkt der Szene, erlebt. Während dieser Zeit gab es ziemliche Probleme auch in der Gartenstadt, einige Gebäude verwahrlosten, was schnell zu einer Abwärtsspirale führte. Die Bewohner*innen identifizierten sich nicht mehr, das Klima in der Siedlung wurde zusehends schlechter.
Das ist zum Glück längst vergessen. Alle Wohneinheiten werden regelmäßig in Stand gesetzt. Und man freut sich inzwischen über ältere Bewohner*innen, die für eine gewisse soziale Stabilität sorgen, und versucht sie, solange es geht, zu halten. Und das gelingt ganz gut, es werden neue barrierefreie Wohnungen gebaut oder ältere Häuser und Wohnungen entsprechend umgerüstet. Auch sonst sind ist die Gartenstadt gut aufgestellt, hat 3000 qm Sonnenkollektorfläche für Warmwasser, und alle Häuser sind so gut wärmegedämmt, dass die Nebenkosten weit unter dem Durchschnitt liegen. Die Beleuchtung der Wege wurde auf LED umgestellt und die Sichtachsen werden freigeschnitten, das schafft ein größeres Sicherheitsgefühl für die Bewohner. Für Begegnungen gibt es ausreichend Bänke und wenig Einbrüche, weil die Nachbarn gegenseitig aufpassen. Parkplätze werden nach sozialen Kriterien vergeben.
Jetzt hat die Genossenschaft allerdings ein Problem mit dem Bau barrierefreier Wohnungen für Senioren. Zuschüsse gibt es nämlich nur, wenn bestimmte Mindestabstände eingehalten werden, da man vom worst case ausgeht, das Leben mit Gehwagen oder Rollstuhl, die viel Platz zum Rangieren brauchen. Deshalb werden 60 qm-Wohnungen mit einem offenen Raum für Wohnzimmer und Küche und einem extra Schlafzimmer gebaut, nur dann können die festgelegten Maße für die Barrierefreiheit eingehalten werden. Die meisten älteren Menschen brauchen diesen Platz für einen Rollstuhl aber (noch) nicht, wenn sie einziehen. Dafür hätten sie lieber ein zusätzliches Zimmer, das auch ganz klein sein kann. Hauptsache, man kann ein Bett hineinstellen, falls die Enkel zu Besuch kommen oder der Partner schnarcht. Da die neuen barrierefreien Wohnungen diese Möglichkeit nicht haben, brauchte die Genossenschaft fast ein Jahr, um zu vermieten, so Uwe Jentz.
Deshalb kam die Frage auf: Sollte man in Zukunft nicht lieber bedarfsgerecht und flexibel bauen? Zum Beispiel, indem man zunächst eine Leichtbauwand einzieht, die die Zimmerabtrennung möglich macht? Die könnte dann schnell und einfach wieder herausgenommen werden, wenn tatsächlich ein Bewohner auf Rollstuhl oder Gehwagen angewiesen ist.
Professor Kritzmann vom Verein Barrierefrei Leben e.V. schlägt vor, weiter barrierefrei zu bauen und den zukünftigen Mietern das Recht einzuräumen, eine Leichtbauwand hinzuzufügen. Oder anstelle einer Wand einen Einbauschrank einzubauen. Dabei würde ein hoher Schrank aufgestellt und so eingepasst, so dass er die Zimmer wie eine Wand trennt und meist besser isoliert als eine Leichtbauwand, wenn er mit Kleidung bestückt wird. Man spart dabei die Tiefe der Wand und könnte den Schrank sogar von beiden Seiten aus benutzen.